Weiss Kreuz Fan Fiction ❯ A Beautiful Illusion ❯ Kapitel 1 ( Chapter 1 )

[ T - Teen: Not suitable for readers under 13 ]

Kapitel 1

~~ Er war sein Retter, sein Beschützer und sein Gott. Dieser Fremde, der eines Nachts zu ihm kam und ihm von seinem schäbigen Dasein befreite, war sein neuer Prophet, der ihm zu seinem Eden verhelfen sollte und dessen Worte zu den Geboten seines Lebens wurden. ~~

~Crawford~

All die Jahre hast du diese Erinnerung in dir getragen. Du verwunderst mich, Schuldig, sonst scheinst du so oberflächlich und gedankenlos zu sein und dann hat dich dieses Bild, dieser kurze Augenblick, dein Leben lang begleitet.

Für mich war alles in so weite Ferne gerückt, dieses Erlebnis war für mich nichts weiter als ein verschwommener Moment, der schon viel zu lange zurückliegt. Doch du bringst alles wieder zurück. Warum, frage ich dich. Warum nach all der Zeit? Ich habe jedes Wort deiner kleinen 'Ansprache' in meinem Kopf gehört, habe jedes Bild dieser Vergangenheit gesehen. Und doch weiß ich nicht was du nun erwartest. Wonach suchst du, Schuldig?

Als ich dir diese Frage stelle, blickst du mich einfach nur an.

Soll ich vor dir auf die Knie fallen, um Vergebung bitten und sagen, dass du mit allem Recht hattest? Ich werde es nicht tun. Ich werde es niemals tun, denn du kennst die ganze Geschichte nicht. Aber vielleicht ist es genau das, vielleicht suchst du nach Antworten.

Es begann wie du es damals erlebt hattest, doch alles was danach kam war und ist anders, als du es dir jemals vorgestellt hast.

~~~

Wenn er sich heute daran erinnern müsste, könnte Crawford nicht einmal mehr sagen, weshalb Nagi und er überhaupt einen Grund gehabt hatten zu Lächeln oder gar um glücklich zu sein. Schwarz existierte erst seit etwas mehr als 6 Monaten und stand für Crawfords Geschmack noch viel zu sehr unter SZs Kontrolle. Die Zeiten waren nicht leicht, jeder noch so kleine Fehler und jede noch so unwichtige Unstimmigkeit wurde vermerkt und geahndet. Allerdings war Brad Crawford schon immer ein Mann, der keine Fehler machte und zuließ, denn er ist Perfektionist mit jeder Faser seines Körpers. Und das verlangte er auch von seinem Team, das zu dieser Zeit offiziell nur aus zwei Mitgliedern bestand: Ihm und Schuldig.

Er und Schuldig. Eine Kombination wie Wasser und Feuer, wie Tag und Nacht. Vom ersten Moment an gab es eine unerklärliche Anspannung zwischen ihnen, die regelmäßig in einem Streit ausartete. Es war nicht so, dass Crawford den jungen Deutschen und sein Talent nicht schätzte, es war viel mehr die Art, die dieser an sich hatte. Dieser exzentrische Lebensstil, die Undiszipliniertheit und Gedankenlosigkeit, die Arroganz, die er Crawford gegenüber an den Tag legte, um nur einige Eigenschaften zu nennen. Dazu kam sein Aussehen: Wilde orange Haare, katzengleiche, blaue Augen und dieser Mund, der fast immer zu einem sardonischen Lächeln verzogen war. All das war ihm zu auffällig, zu aufdringlich und zu ablenkend.

Nagi Naoe war erst seit knapp zwei Wochen in ihr Leben getreten. SZ wusste nicht das geringste über sein Talent oder gar seine Existenz. Und für Schuldig war er eines Tages plötzlich da gewesen; wie ein Kühlschrankmagnet, der als Werbegeschenk mit der Post kam. In Wirklichkeit steckte ein halbes Jahr Arbeit dahinter. Crawford hatte durch seine Recherchen das Leben des Jungen bis zu seinem 4 Lebensjahr zurückverfolgen können. Gelegentlich war Nagi in verschiedenen Waisenhäusern untergekommen, doch die meiste Zeit hatte er auf der Straße verbracht. Seine telekinetischen Kräfte hatten sich bereits frühzeitig gezeigt, doch damals waren sie noch so schwach ausgebildet gewesen, dass die wackelnden Lampen und die plötzlich umfallenden Gegenstände als Zufall abgetan wurden. Später jedoch, als sich diese 'Zufälle' zunehmend häuften, konnte man die Verbindung, die diese mit Nagi hatten, nicht mehr verleugnen. Man hielt ihn für einen Dämon, dem Teufel selbst, er galt als ausgestoßen.

Und eines nachts stand Brad Crawford plötzlich vor ihm und bot ihm ein Leben an, in dem er alles haben konnte, was er wollte und in dem er als das akzeptiert werde würde, was er war. Die Wahl, die Nagi damals traf, war nicht sonderlich überraschend. Er hasste das Leben auf der Straße, er hasste die Blicke und Worte der anderen, er hasste es hungern und frieren zu müssen, aber am meisten verabscheute er den Gedanken, dass sich das alles nie ändern würde. Crawford war in dieser Nacht zu seinem Engel geworden, der ihm von all dem wegholen sollte und ihm ein Leben ermöglichte, von dem er fast jede Nacht geträumt hatte.

Ohne einen weiteren Gedanken an die Konsequenzen seines Handelns zu verschwenden, war der junge Japaner in das dunkle Auto gestiegen, dass nach teuren Ledersitzen und ein wenig auch nach Crawfords Cologne roch, und ließ sich zu dem hell erleuchteten Appartementkomplex fahren, der in einem der teuersten Viertel Tokyos lag. Alles was Nagi sah, hörte und erlebte glich einer absoluten Reizüberflutung.

In dieser Nacht traf er auch das erste mal auf Schuldig, dem Deutsche mit dem -in Nagis Augen- sonderlichen Namen. Das erste, was er von ihm sah, waren diese durchdringenden blauen Augen, als Schuldig einen Spalt die Tür öffnete und erst Crawford, dann ihn anblickte.

"Du hast mir was mitgebracht, Braddie! Ein bisschen jung, aber--"

"Schuldig!" Unterbrach der Ältere ihn mit eiskalter Stimme.

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, öffnete der Telepath dann die Tür und lehnte sich lässig an den Türrahmen. Nagis Blick schweifte in kindlicher Neugier über seinen Körper; er hatte noch nie jemanden wie Schuldig gesehen. Ein halb abgebrannte Zigarette hing lose zwischen seinen Fingern, die er mit einer legeren Bewegung zu seinen Lippen führte. Seine orangenen Haare fielen ungeordnet in sein Gesicht, als er seinen Kopf nach unten beugte um den Nagi besser ansehen zu können. Ängstlich klammerte sich der junge Japaner plötzlich an Crawfords Hand, die die seine hielt, als er diese kalten Augen aus sich ruhen spürte. Seine Neugier war vergessen, er konnte nur noch die Intensität dieses Blickes spüren. Ungewollte lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken, es war, als ob Schuldig direkt in seine Seele gesehen hätte.

Crawfords Arme hoben Nagi hoch, bevor er sich an Schuldig vorbeidrängte. Er hatte genug von den Spielen, die der junge Deutsche bei jeder sich bietenden Gelegenheit spielte. Nagi war der Preis für die teilweise nervenaufreibende Arbeit, die er in den letzten Monaten versteckt vor SZs wachsamen Augen geleistet hatte und er würde nicht zulassen, dass irgendjemand seinen Preis ruinieren würde.

"Ein Telekinet?" Hörte Crawford eine Stimme plötzlich hinter sich fragen.

Als Crawford sich langsam umdrehte, blickte er direkt in das Gesicht des Telepathen, dessen Aufmerksamkeit allerdings nicht auf ihn sondern auf die kleinen Gestalt in seinen Armen gerichtet war. Schuldigs Interesse war geweckt.

"Du wirst die Finger von ihm lassen."

Seine Worte ließen keinen Freiraum für Widersprüche, es war ein direkter Befehl und selbst Schuldig war nicht dumm genug diesen Befehl zu missachten; zumindest hoffte der Schwarzleader das. Wenn überhaupt möglich, wurde das Lächeln auf Schuldigs Lippen noch breiter.

"Wofür hältst du mich, Brad?"

Noch bevor Crawford etwas erwidern konnte, hatte sich sein Gegenüber umgedreht und ging langsam durch die Tür hinaus in den Hausflur. Schuldig schien zu tief in seinen eigenen Gedanken versunken zu sein um den fragenden Blick des Amerikaners mitzubekommen. Es war fast so als er die Anwesenheit der anderen beiden nicht mehr wahrnehmen würde.

Crawford verlor keinen weiteren Augenblick, er ging unbeirrt mit Nagi in Richtung Bad. Die Launen und Stimmungsschwankungen des Deutschen konnten ihm egal sein, solange sie nicht direkt Schwarz betrafen. Dennoch hatten ihn die unterschiedlichen Reaktionen der beiden aufeinander etwas beunruhigt, er hatte nicht vorausgesehen, dass Nagi so defensiv Schuldig gegenüber reagieren würde. Es war keine richtige Angst, die der Elfjährige gezeigt hatte, es schien mehr so, als hätte er eine Vorahnung, was für ein Mensch Schuldig wirklich war. Wenn es etwas gab in dem die beiden Jüngeren unterschiedlicher waren als Crawford und Schuldig selbst, dann war es in ihrer Seele. Schuldig war ein Dämon, die Todsünde selbst, während Nagi in seiner Unschuld nicht wissen konnte, wozu der Telepath fähig sein konnte.

Nachdem Crawford, der noch immer den jungen Japaner auf seinen Armen hielt, das Bad betreten und die Tür hinter sich wieder geschlossen hatte, setzte er den Jüngeren vor sich auf die kleine Kommode und betrachtete ihn etwas unschlüssig. Er hatte nicht wirklich das Wissen, wie man mit einem Jungen in diesem alter umzugehen hatte, aber das wichtigste musste einfach erledigt werden, egal wie: Ein Bad. Die Kleider des Telekineten waren kaum noch als diese erkennbar, Straßenschmutz klebte auf seiner Haut und in den wirren, zerzausten Haaren und nach dem Geruch zu urteilen, hatte er schon seit mehreren Tagen, wenn nicht Wochen, kein Wasser mehr gesehen.

Der Schwarzleader streifte die abgetragenen Jacke von den Schultern des Jüngeren und begann sich an dem übergroßen Hemd zuschaffen zu machen. Er musste nicht fragen woher der Kleine diese Kleidung überhaupt hatte, es waren alles Fundstücke, die andere Leute in Straßenecken und Müllkontainern hatten liegen lassen. Der Spiegel, die Schranktüren, die wenigen Dosen und Schachteln in den kleinen Regalen, selbst der Toilettendeckel fingen plötzlich an zu klappern und zu vibrieren. Etwas verdutzt blickte Crawford den jungen Japaner vor sich an. Große, dunkelblaue Augen waren weit aufgerissen, kleine Hände klammerten sich mit aller Kraft an das graue, fleckige Hemd um den Stoff eng an seinen mageren Körper zu pressen. Angst war Nagi deutlich ins Gesicht geschrieben.

"Was... was hast du vor?" Nagis Stimme war leise und unsicher, als er sprach.

"Ein Bad. Ich dachte, du würdest vielleicht..." Crawford sprach den Satz nicht zu Ende, als er begriff wo die Ursache von Nagis Angst lag. Er hatte nicht bedacht, was ein Kind in diesem Alter alles auf der Straße durchgemacht haben musste.

"Du brauchst keine Angst zu haben, ich werde dir nicht weh tun."

Es dauerte einige Augenblicke, bevor Nagi zögerlich seine Hände von dem Hemd nahm und der Ältere es über seinen Kopf streifen konnte. Crawford konnte nicht anders, als den kleinen Körper vor sich für einige Sekunden anzustarren: Die Rippen- und Schulterknochen des Telekineten standen deutlich sichtbar hervor, die zerrissene Hose wurde nur von einem abgenutzten Gürtel auf den zu schmalen Hüften gehalten. Man wollte nicht glauben, dass in diesem dünnen Körper so eine Kraft steckte, die Häuser zum einstürzen bringen konnte.

Erst die abgemagerten Arme, die sich schützend um den Körper vor sich legten und damit seine Sicht versperrten, ließen Crawford aus seinen Gedanken in die Realität zurückkehren.

"Keine Angst, Nagi, dir kann hier nichts passieren", versuchte er Nagi zu beruhigen, als er ihm aus den restlichen Anziehsachen half und ihn begann von dem Schmutz und dem Geruch der Straße zu säubern. Es war für ihn keine leichte Aufgabe. Nagi schien so fragil und zerbrechlich zu sein, dass der Amerikaner fürchtete, er würde unter seinen Händen zerbrechen, wenn er nicht aufpasste. Der Schwamm, den er hielt, glitt fast schon zu sanft über die inzwischen helle Haut des Jüngeren, als er den letzten Seifenschaum von dem hageren Körper wusch.

Crawford wickelte Nagi in eines der großen weißen Badehandtücher, bevor er ihn in das Wohnzimmer trug, wo Schuldig, auf dem Sofa liegend und umringt von diversen Fastfood-Verpackungen, bereits auf sie zu warten schien. Der Blick des Telepathen wanderte erneut zu dem jungen Japaner, der mit großen Augen zurückstarrte. Wenn überhaupt möglich, weiteten sich diese Augen plötzlich und ein erschrockenes Keuchen entkam seinem Mund.

"Wie hast du das gemacht?"

"Telepathie", flüsterte Schuldig in einem bedeutungsvollen Tonfall, bevor er sich wieder in die Gedanken des Telekineten einklinkte.

Als er die stille Kommunikation zwischen den beiden sah, beschloss Crawford etwas essbares für den Jungen zu finden. Seine Gedanken blieben bei den bis jetzt recht kuriosen Begegnungen der beiden Jüngeren hängen. Nagi war nicht das Problem, Crawford war sich sicher das Vertrauen, vielleicht sogar schon die Loyalität, des Jungen bereits gewonnen zu haben. Das Problem war Schuldig. Von der ersten Sekunde an hatte der Schwarzleader die Unzufriedenheit mit der neuen Situation auf Schuldigs und das Misstrauen auf Nagis Seite bemerkt. Der Telepath hatte Nagi allerhöchstens als Zeitvertreib, als ein lebendiges Spielzeug betrachtet. Um so mehr verwunderte ihn die Neugier, die scheinbar von beiden Seiten auszugehen schien. Jeder hatte in dem anderen etwas entdeckt, was ihn faszinierte, aber vielleicht lag genau darin die Chance Nagi erfolgreich in Schwarz zu integrieren.

Etwas unschlüssig nahm Brad von fast allem, was der Kühlschrank her gab, etwas und verließ die Küche. Er hatte keine Ahnung, was man einem abgemagerten japanischen Straßenjungen geben konnte und Nagi hatte sich seinerseits nie geäußert, was er mochte und was nicht.

Als er das Wohnzimmer wieder betrat, stoppte er abrupt. Vor ihm spielte sich eine wahrhaft skurrile Szene ab: Schuldig kniete auf dem Sofa vor Nagi, der noch immer in das weiße Badetuch gerollt war, und fütterte ihn mit irgendwas. Es war mehr als nur ungewöhnlich den Deutschen so fürsorglich zu sehen. Nagi akzeptierte freudig jeden Bissen, den der Ältere zwischen seine schmalen Lippen schob, Crawford hätte sogar schwören können ein leises Kichern von ihm zu hören.

// Schuldig, was... // Ihm fehlten einfach die Worte.

// Popcorn. //

Eines dieser seltenen ehrlichen Lächeln zierte Schuldigs Lippen, als er zu Crawford blickte. Er war sichtlich stolz den scheuen Jungen ein bisschen seines Zutrauens abgerungen zu habe.

// Mit Zucker zähmt man wilde Tiger und schüchterne Japaner. //

Ein kurzes amüsiertes Kopfschütteln bekam der Jüngere als Antwort. Crawford war erleichtert, dass sich so ein positives Verhältnis zwischen Schuldig und Nagi in so kurzer Zeit entwickelt hatte. Er hatte keine Illusionen, es würde noch eine Weile dauern, bis beide so viel Vertrauen zu einander hatten, dass Nagi ein reguläres Mitglied von Schwarz werden konnte. Allerdings lag auch viel Arbeit vor ihm und dem Telekineten. Seine Kräfte mussten trainiert werden, genau wie sein Körper. Und Crawford wäre verdammt, wenn er den Elfjährigen auch nur für einen Moment SZ überlassen würde. Nagi war sein Preis und er würde ihn niemals hergeben.

~~~

Dieses Kapitel ist eigentlich nur die Ruhe vor dem Sturm *Schu-Grinsen aufsetzt*. Die ganze Sache wird sicher auch noch im Raiting steigen und ein wenig shounen ai/yaoi ist eigentlich auch geplant, allerdings hab ich mich noch nicht für ein Pairing entschieden...

Ein weiser Autor hat einmal gesagt, dass jeder (Möchtegern-)Schriftsteller auch eine gewisse Resonanz braucht, also hört auf ihn und schreibt mir wenigstens mal, ob das hier überhaupt jemand liest!